
Tschukotka im fernen Osten Russlands: Atemberaubende Landschaften jenseits des Polarkreises. Hier, auf einer Fläche doppelt so groß wie Deutschland, leben gerade einmal 50.000 Menschen. Die Ureinwohner treiben ihre Rentierherden auf die Weiden. Straßen gibt es kaum, und Transportunternehmen sind stolz darauf, wenn sie eine schwere Ladung über eine Entfernung von 600 Kilometern in 12 Tagen transportiert bekommen. Hier, in der nordöstlichsten Region der Russischen Föderation, im kleinen Örtchen Pewek mit seinen rund 4.500 Einwohnern liegt die "Akademik Lomonossow" vor Anker. Es ist das erste schwimmende Atomkraftwerk der Welt, 144 Meter lang, 30 Meter breit und ausgestattet mit zwei Reaktoren, die zusammen 70 MW Leistung liefern. Fast zehn Jahre lang wurde es in der nördlichsten Großstadt Russlands, Murmanks, gebaut. Seit Dezember 2019 liefert es Strom und könnte problemlos die gesamte Region mit Energie versorgen. Doch wozu braucht eine so dünn besiedelte Region eigentlich so viel Energie?
Im Interesse der Bergbaukonzerne
Die Region Tschukotka lebt hauptsächlich vom Bergbau. Dabei wird vor allem Gold und Kupfer gefördert. Allein 2019 haben Bergbauunternehmen 24,5 Tonnen des gelben Edelmetalls aus der Erde geholt, das waren rund sieben Prozent der gesamten in Russland geförderten Goldmenge für das Jahr.
Eines der größten Kupfervorkommen der Welt, das Fördergebiet Peschachanka, hat sich im Januar 2019 der kasachische Bergbaukonzern KAZ-Minerals gesichert. Hier werden 23 Millionen Tonnen Kupfer und 2.000 Tonnen Gold vermutet. Das Kupfer ist für den Export nach China gedacht, das Reich der Mitte gilt als der größte Verbraucher des Halbedelmetalls weltweit. Dafür soll in der Tschaunbucht, 90 Kilometer südlich von Pewek, ein neuer Hafen sowie eine etwa 600 Kilometer lange Straße gebaut werden, die diesen mit den Kupferminen verbindet.
Schädliche Konkurrenz
Der geplante Energiebedarf der Region ist also enorm. Da kommt das schwimmende AKW gerade recht. Es speist seinen Strom in das örtliche autonome Netz ein. Im Augenblick allerdings trägt die "Lomonossow" nur 20 Prozent zur Stomversorgung der Region bei. Und bleibt damit weit unter seinen Möglichkeiten. Denn noch produzieren auch ein Kohlekraftwerk und das AKW Bilibino Strom. Beide Anlagen stammen aus den 1970er-Jahren, sind stark veraltet und sollen erst 2023 vom Netz genommen werden. Die geringe Auslastung der "Lomonossow" verteuert den Betrieb des schwimmenden AKW zusätzlich. Und das in einer Gegend, in der die Gewinnung eines Megawatts Strom rund 90 Mal so teuer ist wie im Westen des Landes.
Berichten der russischen Tageszeitung Kommersant zufolge hat die russische Atomenergiebehörde Rosatomatom für das Jahr 2021 einen durchschnittlichen Preis von umgerechnet 140.000 Euro für 1 MW Strom pro Monat aus dem AKW Biblino und 82.500 Euro für dieselbe Menge aus dem schwimmenden AKW "Akademik Lomonossow" aufgerufen. Zum Vergleich: Im europäischen Teil Russlands kostet ein Megawatt Atomstrom rund 1.500 Euro.
September 05, 2020 at 10:03AM
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Russlands schwimmendes AKW: Strompreise jenseits von Gut und Böse - MDR
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gut
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